Im politischen Berlin wird momentan so viel über die Altlasten vor den deutschen Küsten gesprochen wie noch nie. Neben fraktions- und koalitionsinternen Gesprächen ist auch der ständige Austausch mit Wissenschaftler:innen und Expert:innen unerlässlich. So besuchte der Cuxhavener SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Schneider kürzlich auf Einladung seines Fraktionskollegen Mathias Stein die Hansestadt Kiel. Neben einem Besuch beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung nahm Schneider an einer Podiumsdiskussion „Für die Ostsee ist es 5 nach 12!“ des Maritimen Viertels teil.
Viele namhaften Vertreter:innen aus Politik und Wissenschaft diskutierten zusammen mit Schneider auf dem Podium. Prof. Dr. Edmund Maser vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie der Uni Kiel verdeutlichte in einem Impulsvortrag, wie die austretenden Gifte der korrodierenden Munition in unserer Nahrungskette landen. Beispielsweise konnte Maser TNT-Rückstände und sprengstofftypische Verbindungen in Muscheln, die sich in der Nähe von versenkter Munition ansiedelten, nachweisen. Plattfische, die im Versenkungsgebiet „Kohlberger Heide“ gefangen wurden, litten fünfmal häufiger an Lebertumoren als ihre Artgenossen in weniger belasteten Gewässern. Der Verzehr für den Menschen sei derzeit noch ungefährlich. Jedoch steige die Gefahr durch die anhaltende Korrosion, da nach und nach mehr Gifte an die Meeresumwelt abgegeben werden, so der Toxikologe.
Schon seit Jahrzehnten sind Privatunternehmen mit der Bergung der Munitionsaltlasten auf See beschäftigt, jedoch immer nur anlassbezogen, so beispielsweise bei der Vertiefung von Fahrrinnen, dem Bau von Windparks und der dazugehörigen Infrastruktur. Die Entwicklung einer Räumplattform markiert den Einstieg in die flächendeckende Beseitigung im industriellen Maßstab. Die Diskutierenden erläuterten, warum eine solche Räumplattform nun ausgeschrieben und entwickelt werden muss. Dafür ist ein Sofortprogramm des Bundes vorgesehen, welches den Piloten finanziert. Eine Plattform, wie sie von Politik und Wissenschaft geplant wird, kostet schätzungsweise zwischen 70 und 100 Millionen Euro. Der vorläufige Haushaltsentwurf sieht Gelder in dieser Höhe kurzfristig nicht vor. Deshalb setzt sich Schneider als Berichterstatter für Meeresschutz zusammen mit seiner Fraktion und den Ampel-Kolleg:innen im Haushalts- und Umweltausschuss für eine auskömmliche und direkte Finanzierung des Pilotprojektes durch den Bund ein.
Die voraussichtlich robotergesteuerte Plattform soll die Altlasten am Meeresgrund lokalisieren, diese mit autonomen Unterwasserfahrzeugen an die Oberfläche holen und sie unschädlich machen, indem die
Zünder entfernt werden. Anschließend sollen die Kampfmittel zerschnitten und an Ort und Stelle in speziellen Öfen verbrannt werden. Auf diese Weise würden kostenintensive und riskante Transporte vermieden, zumal die Kapazitäten zur Kampfmittelentsorgung an Land bereits ausgelastet sind. Dem erforderlichen Sofortprogramm soll sich ein Bund-Länder-Fond anschließen, um die Entsorgung der insgesamt 1,6 Mio. Tonnen Altlasten in Nord- und Ostsee umfassend zu finanzieren. „Für die vollständige Räumung bedarf es Schätzungen zufolge bis zu 10 solcher Plattformen. Daher ist der schnelle Beginn der Pilotphase so wichtig“, so MdB Schneider.
Die Bundestagsabgeordneten Stein und Schneider informierten sich außerdem im Helmholtz-Forschungszentrum GEOMAR zum neuesten Stand der Forschung und Entwicklung zum Thema. Das Institut koordiniert das Konsortium CONMAR, welches u. a. Umweltdaten für die geplante Bergung der Altlasten sammelt und auswertet. Auf Basis der Forschung des Instituts wird die Entscheidung gestützt, wo und wann mit der Räumung begonnen wird. In der Ostsee ist die Problematik der Altlasten wesentlich drängender als in der Nordsee, da der Wasseraustausch durch Gezeiten geringer ausfällt und die Sprengstoffkonzentrationen deutlich höher sind. Daher wird hier mit der flächendeckenden Bergung begonnen werden. Bis 2024 wird eine Prioritätenliste für die Räumung in der Ostsee entwickelt. 2027 folgt dann die Fertigstellung der Prioritätenliste für die Nordsee. „Ich bin überaus beeindruckt von der wissenschaftlichen Expertise und den umfassenden Ergebnissen der langjährigen Forschung. Jetzt ist auch die Politik auf Bundesebene auf Kurs und es kann bald mit der Bergung der Altlasten losgehen“, so Schneider.